Geschichte des Wing Chun Kung Fu

Die Vorgeschichte
 
Um die Geschichte und Vorgeschichte des Wing Chun Stiles ranken sich viele Legenden und es gibt wenig bis keine gesicherten Tatsachen. Die meisten Kurzdarstellungen der Wing Chun Geschichte setzen bei Ng Mui und dem Mädchen Wing Chun ein. Es lohnt sich aber noch etwas weiter zurück zugehen.
Noch vor den zahlreichen Legenden über die Entwicklung des Stils gibt es eine Vorgeschichte, die man wohl ebenfalls als Legende einordnen muss. Sie handelt von der Prinzessin von Kung Ju. Das Reich ihres Vaters wurde von Feinden bedrängt und die Niederlage war absehbar, so entschloss ihr Vater das Mädchen von einem eigenen General töten zu lassen, damit sie sich nicht Feinde Hände fiel und entehrt werden konnte. Der General bracht aber den Befehl nicht übers Herz und schlug dem hübschen Mädchen nur eine Hand ab und brachte diese als Beweis seinem Herrscher. Das nunmehr einarmige Mädchen fand Unterschlupf in einem Shaolin Kloster und erlernte dort Kung Fu. Sie erhielt den Namen Dok Bei Sun Lee – die einarmige Nonne. Da sie mit einer Hand natürlich Nachteile in ihrem Kampfkunsttraining hatte, wandelte sie eine Reihe von Techniken entsprechend ab um auch mit einem Arm zwei kontrollieren zu können. Dieser so entwickelte Stil wurde wichtig für die spätere Entwicklung des Wing Chun Kung Fu. Wenige Jahre vor Ende der Ming Dynastie in 1644 wurde in einer bedeutenden, dem chinesischen Kaiserhaus nahe stehenden Familie ein Mädchen geboren mit dem Namen Loi Sai Leung, wie alle Mädchen aus dieser Schicht wurde sie in den fünf Pfeilern chinesischer Erziehung unterrichtet: Kunst, Literatur, Musik, Medizin und Kampfkunst. So wurde sie auch in ein buddhistisches Kloster geschickt um buddhistische Schriften und Kampfkunst weiter zu studieren. Schließlich kam es zum Fall der Ming Dynastie und zur Machtergreifung der Mandschu (die Mandschu waren ein Steppenvolk aus Nordchina und stellten gegenüber den Han-Chinesen eine kleine Minderheit da, konnten aber die Macht ergreifen). Loi Sai Leungs Vater war einer der acht Generäle der dem neuen Kaiser half den Thron zu besteigen. Nichts desto trotz wurde alle acht Generäle und alle in der verbotenen Stadt lebenden Familien von den neuen Machthabern ermordet. Loi Sai Leung war zu dieser Zeit auf einem Ausritt außerhalb der Stadt. Sie, die trotz ihres jungen Alters für ihre Kung Fu Künste schon bekannt war wollte nun aus Rache einen Aufstand gegen die neuen Machthaber organisieren. So floh sie zunächst in den Shaolin Tempel in Henan, wo sie den Namen Ng Mui ("schön Kriegerfrau") erhielt und zur buddhistischen Nonne wurde (auch wenn sie angeblich Taoistin war). Der Tempel wurde zu einem Herd des Widerstandes. Außerdem im Tempel befanden sich Fung Do Tak, Bak Mei, die ursprünglich aus Wutang kamen und Miao Hin und Gee Sin. Diese vier Meistern waren nach 10 jähriger Ausbildung ausgesandt worden um als Generäle der Ming zu dienen. Nun nach Fall der Dynastie waren sie in den Tempel zurückgekehrt um den Widerstand zu organisieren. Für die angeblich 2800 Nonnen und Mönche in Ausbildung wurden schließlich die vier genannten Meister gemeinsam mit Ng Mui verantwortlich. Das Problem war nun folgendes um es im klassischen Shaolin Kung Fu zur Meisterschaft zu bringen waren ca. 18 Jahre Training nötig, Zeit die man nicht hatte, wollte man schnell Widerstand organisieren. Die neu entwickelte Kampfkunst trug den Namen Wing Chun ("ewiger Frühling"), da der Winter der Fremdherrschaft überwunden werden musste. Eine revolutionäre Parole zu dieser Zeit besagte: "Sprich immer mit Entschlossenheit, vergiss nicht die Han – Nation, der Frühling wird zurückkehren" auf chinesisch bedeutet dieser Satz: "Wing yun chi jee, mo mong Hon juk, Dai day wui chun". Somit könnte der Name Wing Chun auch als Abkürzung für diese Parole gesehen werden. Wie gesagt handelt es sich bei diesen Geschichten nur um Legenden und Theorien, dass aber tatsächlich ein Zusammenhang zwischen Ming- Widerstandskämpfern und der Entwicklung von Wing Chun besteht kann aufgrund zahlreicher Indizien und Informationen aus unterschiedlichsten Quellen, nahezu als gesichert angesehen werden. Die Legende geht folgender Maßen weiter:Der Mandschu Kaiser erkannte die Bedrohung des Tempels und begann diesen anzugreifen. Obwohl er sich dazu sogar europäische Hilfe mit modernen Gewehren und Kanonen gesichert hatte gelang es trotz immenser Überzahl nicht den Tempel in die Knie zu zwingen. Erst ein Verrat des Mönchs Ma Ling Er änderte die Situation. Dem Verräter gelang es Schlafmittel und das Essen der Mönche zu mischen, sodass viele, als der Tempel angegriffen wurde im Schlaf ermordet wurden, außerdem legte er Feuer im Tempel. Wer nicht im Schlaf getötet wurde, verbrannte, oder erstickte im Rauch. Die 5 großen Meister, darunter Ng Mui gehörten zu den wenig Überlebenden.
Über die Erlebnisse nach ihrer Flucht gibt es wieder zahlreiche Legenden, die wir hier überspringen werden.

Die Legende des Mädchen Yim Wing Chun:

Bereits im hohen Alter hielt sich Ng Mui im Tempel von Tai Leung Shan (beim Tai Leung Berg) auf. Häufig kaufte sie Tofu ganz in der Nähe am Stand einer armen Familie. Dort fand sie eines Tages die weinende Tochter des Verkäufers eines hübsches Mädchen mit Namen Yim Wing Chun. (Anmerkung: In den meisten Erzählungen war das der Namen des Mädchens und somit wurde sie später zur Namensspenderin für den Stil, nach anderen Theorien hieß sie Yim Sum Leung und erhielt dann erst später den Namen Wing Chun, da sie als Zukunftshoffnung für den Stil angesehen wurde.) Das Mädchen war traurig weil der ortsbekannte Kriminelle Tiger Wong sie zur Frau nehmen wollte, sie aber bereits Leung Bok Chau versprochen waren, den sie auch liebte. Aus Furcht vor Tiger Wong war sie verzweifelt. Ng Mui gab ihr den Rat zu Tiger Wong zu gehen und ihm zu sagen, dass er noch 6 Monate warten müsse, dann werden sie gegeneinander kämpfen und falls Tiger Wong gewinnen sollte, kann er sie zur Frau nehmen. Lachend stimmte er der Bedingung zu. 

So kam es dazu, dass das Mädchen fortan bei Ng Mui lernte. Sie trainierte hart und war sehr talentiert. Hier gehen die Theorien wieder auseinander: einer Theoire zur Folge hat Ng Mui die bestehenden Technik, da diese für eine Frau zu hart und zu schwierig waren abgewandelt und modifiziert und somit einen neuen Stil geschaffen, einer anderen Theorie folgend hat Ng Mui dem Mädchen Wing Chun noch die traditionellen Shaolin Techniken gelehrt und sie hat dann erst die Techniken entsprechend modifiziert. Geht man aber davon aus was bereits zu lesen war bestand der Stil zu dieser Zeit schon und keine der beiden Frau konnte somit einen neuen Stil gründen. Welche Theorie stimmt werden wir nicht mehr erfahren, aber sicher können wir davon ausgehen, dass Ng Mui nicht von Null begonnen hat und ein bestimmter Stil schon vorhanden war, dass die beiden Frau dann großen Einfluss (wenn auch nicht klar in welchem Ausmaß) auf die Weiterentwicklung des noch jungen Stil hatten scheint auch plausibel.


Um zurück zu unserer Geschichte zu kommen besiegte Wing Chun nach Ablauf der Frist Tiger Wong mit Leichtigkeit und konnte Leung Bok Chau heiraten. Leung Bok Chau lernte von seiner Frau die ganze neue Kunst. Von Miao Tsui Hua (die Tochter von Mönch Miao Hin – einem der 5) gab dem Paar die Schmetterlingstechniken weiter. 

Leung Bok Chau unterrichtete in weiterer Folge Leung Lan Kwai, dieser wiederum unterrichtete Wong Wah Bo. Wong Wah Bo war Mitglied einer Operngruppe bekannt als die „rote Junke“, um die sich wieder viele Legenden ranken und die offenbar Versteck für mehrerer Kung Fu Meister war. Dort traf er Leung Yee Tai der vom Koch der Gruppe die Langstocktechniken erlernt hatte. Koch der Gruppe war der verdeckt lebende ehemalige des Klosters Gee Shin (einem der 5). (Anmerkung: Es erscheint unrealistisch, dass Gee Shin so lange gelebt haben kann, schließlich ist Wong Wah Bo einige Generationen nach Ng Mui, die ja gleichzeitig mit Gee Shin gelebt und schon alt war, als Yim Wing Chun unterrichtete. Möglicherweise hat Leung Yee Tai von Schülern, oder Schülern von Schülern von Gee Shin gelernt, die im Stammbaum übersprungen wurden, was nicht so selten passiert).
Wong Wah Bo und Leung Yee Tai tauschten ihr Wissen und ihre Techniken aus, sodass die Langstocktechniken in das Wing Chun kamen. Beide gemeinsam begannen in der Mitte des 19 Jhd. Leung Jan zu unterrichten. Ab Großmeister Leung Jan decken sich die unterschiedlichen Stammbäume weitgehend und somit ist die Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit sehr groß.
 
Großmeister Leung Jan: 
  
Leung Jan, war ein sehr bekannter Arzt und großer Kung Fu – Meister. Zeitlebens kamen Herausforderer aus ganz China um sich mit ihm zu messen, doch er blieb unbesiegt, was ihn den Titel „König des Wing Chun“ einbrachte. Er hatte eine Reihe von Schülern darunter seine beiden Söhne Leung Bik und Leung Chun und den späteren bekannten Großmeister Chan Wah Shun. Chan Wah Shun wetteifert mit den beiden Söhnen des Meisters um die Nachfolge, Chan Wah Shun war ein großer kräftiger Mann und gefürchteter Kämpfer – Leung Jan’s Söhne waren ihm zwar technisch überlegen aber kämpferisch unterlegen. So verlor Leung Bik auch nach Leung Jans Tod einen Kampf gegen Chan Wah Shun worauf er Fatsan Richtung Hong Kong verließ (mehr dazu später). Im Alter von 70 verließ Leung Jan Fatsan und kehrte in seinen Heimatort Gulao zurück. Nach Alter Tradition übernahm nun der Kung Fu Meister die Ausbildung der Dorfjugend. Der Kung Fu- Unterricht hatte zwei Ziele, einerseits die praktische Anwendung und andererseits aber sollte geistige und körperliche Gesundheit erzielt werden und der Charakter gestärkt werden. Um dieses zweite Ziel zu erreichen unterrichtete eine andere etwas traditioneller Methode des Wing Chun, die als Gou Lao – Linie bekannt wurde. Von seinen Schüler in dieser Linie ist vor allem Wong Wah Saam zu nennen.
  Zurück zu Chan Wah Shun, der obwohl er 36 Jahre unterrichtete nur 16 Schüler annahm, darunter Ng Chun So, seinen späteren Top Schüler, Chan Yiu Min, seinen Neffen und Yip Man.Yip Man kam erst spät zu Chan Wah Shun und war noch sehr jung, nachdem Chan Wah Shun krank geworden war wies er Ng Chun So an Yip Man weiter zu unterrichten.
 
Die jüngere Geschichte: Das 20 Jahrhundert:
 
Yip Man kam dann als junger Mann nach Hong Kong und suchte eine Herausforderung nach der anderen. Am Hafen von Hong Kong fand er in einem alten Mann seinen Meister, der Mann entpuppte sich als Leung Bik und wurde Yip Mans neuer Lehrmeister.
Zurück zur Guo Lao –Linie Wong Wah Saam lehrte Fung Chun, Fung Lim und Koo Sao Lung. Fung Chun unterrichtete Fung Chu; Fung Lim und Koo Sao Lung (angeblich Brüder) unterrichteten Fung Sang, der große Bedeutung für das Pin San (seitlich kämpfende) Wing Chun hatte. Diese nächste Generation mit Fung Chun und Fung Sang unterrichtete Fung Yee Min, der zum ersten Lehrer von Lee Shing wurde. Lee Shing ein Wing Chun Fanatiker seit Kindheit wollte immer mehr über den Stil erfahren und sollte später direkt auch von den Meistern seines Lehrers von Fung Chu und Fung Sang. Seine Studien führten in weiter zum damals berühmten Meister Ng Jung So und auch zu Chan Yiu Min, den Neffen von Chan Wah Shun. Sein Weg führte weiter nach Hong Kong, wo er gemeinsam mit den damals schon berühmten Yip Man Schülern Lok Yiu und Jui Wan trainierte. Schließlich wurde er von den beiden auch Yip Man vorgestellt von dem er auch direkt im Rahmen von Privatunterricht lernte. 1956 brachte Lee Shing Wing Chun als erster nach Europa und unterrichtete in London, als traditioneller Mensch nur Asiaten.